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Der Schneider von Ulm und seine Erben - Die Geschichte des deutschen Flugzeugbaus
Referent: Hubert Müller, Backnang
Datum: Mittwoch, 09. Oktober 2013
Ort: Bürgerhaus Backnang, Fritz-Schweizer-Saal
 

Der Schneider von Ulm und seine Erben

Hubert MuellerHubert MüllerHubert MüllerDie Wirklichkeit unserer Welt wird geprägt durch die Schwerkraft. Der Wunsch der Menschen jedoch zielt seit langem darauf ab, diese zu überwinden und die Leichtigkeit des Schwebens zu fühlen. Aus dieser dialektischen Spannung zwischen Schwerkraft und Schwerelosigkeit wird der Traum vom Fliegen geboren.

Hubert Müller, leidenschaftlicher Segelflieger und ehem. Fluglehrer im Luftsportverein Backnang-Heiningen führte die Zuhörer bei seinem Vortrag für den Förderverein Technikmuseum Backnang an diesen Traum heran. Es begann ja keineswegs erst mit dem berühmten Landsmann aus Ulm. Die griechische Mythologie berichtet von Dädalus, der mittels Vogel-federn und Wachs zu fliegen versuchte. Sein Sohn Ikarus bezahlte bekanntlich die leicht-sinnige Annäherung an die Sonne mit dem Leben. Dieses traurige Ende war für die frühen Flugpioniere nicht untypisch. Italiens berühmter Leonardo da Vinci hatte eine Fülle von Ideen zu Fluggeräten wie Fallschirm, Hubschrauber oder Schwingenflieger. Zu seinem Glück blieb es bei theoretischen Untersuchungen.

Wirklich geflogen wurde erst im 18. Jahrhundert. Den Gebrüdern Mongolfier aus Annonay gelang mit einem Heißluftballon die eindrucksvolle Demonstration der Funktionstüchtigkeit ihrer Erfindung. Bemerkenswert ist allerdings auch, dass die ersten „Passagiere“ Hammel, Hahn und Ente waren. Es blieb Ludwig XVI. vorbehalten, den Erstflug mit Menschen zu gestatten. Die Entwicklung der Gleitflieger liegt etwas im Dunkeln. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden konkrete Modelle in England und in Österreich gebaut.

Überflug eines Standard Discus mit 200 km/h in Heiningen (Foto: Hubert Müller)Überflug eines Standard Discus mit 200 km/h in Heiningen (Foto: Hubert Müller)Jetzt kommt auch Albrecht Ludwig Berblinger, der „Schneider von Ulm“, der von 1770 bis 1829 lebte, ins Spiel. Man muss sich bewusst machen, dass zu einer Zeit, als die Dampfmaschine längst und die Eisenbahn bereits erfunden waren, die Konstruktion eines richtigen, steuerbaren Flugzeugs noch in weiter Ferne lag. Berblingers leichte, starre Flügelkonstruktion bestand aus mit Schnüren zusammengebundenem Fischbein, geleimtem Holz und Seide. Am 31. Mai 1811 unternahm er den großen Versuch des Gleitflugs von der Adlerbastei aus über die Donau. Die ganze Ulmer Bevölkerung stand gebannt an den Ufern und sah mit bangen Blicken zu Berblinger hinauf, der auf einem Gerüst mit seinen Flügeln balancierte. Doch als der Absprung erfolgte, stürzte er spektakulär in die schönen blauen Fluten. Der tapfere Mann wurde verlacht.

Es brauchte weitere achtzig Jahre bis Otto Liliennthal als erster erfolgreich Gleitflüge absolvieren konnte. Aber auch ihn ereilte im August 1896 bei einem Absturz das Schicksal vieler Flugpioniere. Der nächste Entwicklungssprung war entscheidend von der Erfindung leichter Motoren geprägt. Die amerikanischen Brüder Wright gelten als die Menschen, denen der erste motorisierte Flug gelang – also mit eigenständigem Abheben, einer stabilen Fluglage und einer Landung ohne Bruch. Luftfahrt-Experten diskutieren allerdings darüber, ob nicht andere Piloten bereits früher geflogen seien, so etwa auch der aus dem fränkischen Leutershausen stammende Gustav Weißkopf.

In Deutschland war die Zeit vor dem ersten Weltkrieg geprägt von Ingenieuren wie Hans Grade und Ernst Heinkel. Heinkel aus Grunbach im Remstal überlebte einen Absturz auf dem Cannstatter Wasen und konnte in den kommenden Jahrzehnten noch entscheidende Beiträge zur Entwicklung z.B. der Düsentriebwerke leisten. Die heutige Welt der Passagierflugzeuge ist geprägt von internationalen Großkonzernen. Was einst das Produkt mutiger Einzelkämpfer war, ist heute ein höchst komplexes Konglomerat von Systemteilen, Komponenten und Ingenieurleistungen aus aller Welt.

Müller erläuterte theoretische Fragen zum Thema Auftrieb und Tragflächenprofil, Thermik und Segelflugverhalten ebenso wie die  unter den anwesenden Fliegerkollegen wohlbekannte „Backnang-Winde“, ein Seilschleppfahrzeug für den Startvorgang, das von Kaelble hergestellt und an viele Segelfliegerclubs in Europa geliefert wurde.

2013-10-09 Schneider von Ulm
2013-10-09 Schneider von Ulm

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