Ein Blick in die Techniksammlung (VI)- Die Funktechnik und Backnang - Telefunken und Marconi
Von Gustav Burgel
Backnang - Heinrich Hertz entdeckte 1888 die elektromagnetischen Wellen. Der Physiker Guglielmo Marconi machte in seinem Heimatland Italien erfolgreiche Versuche mit den Hertzschen Wellen. In Italien und Deutschland suchte er vergeblich nach Geldgebern, die bereit waren, die Forschungen zu unterstützen. In England dagegen nahm man sich seines Anliegens an. Der britische Generalpostmeister Sir William Preece half Marconi.
1897 gründete Marconi seine Firma in Chelmsford, der englischen Stadt, die später Backnangs Partnerstadt werden sollte. Noch im gleichen Jahr gelang ihm eine Funkverbindung über fünf Kilometer. Professor Adolf Slaby aus Berlin war bei dieser Vorführung anwesend. Er experimentierte für die AEG in Berlin mit elektromagnetischen Wellen. In Straßburg war es Professor Ferdinand Braun, der für Siemens auf diesem Gebiet arbeitete. Marconi konnte 1899 Funkverbindung mit Frankreich aufnehmen, und 1901 gelang es ihm, die Funkwellen über den Atlantik zu schicken. Professor Slaby machte bei einem Empfang in Berlin Kaiser Wilbelm II. auf die Erfolge der Engländer aufmerksam.
Auf Wunsch des Kaisers gründeten AEG und Siemens am 20. Mai 1903 die Gesellschaft für drahtlose Telegraphie mbH in Berlin zur Ausnutzung ihrer Patente. Als Systemname wurde Telefunken gewählt. Graf Arco wurde der erste Generaldirektor.
Erfinder wie Alexander Meißner, Ferdinand Braun, Walter Schottky und Adolf Slaby verhalfen der Firma Telefunken zu Weltgeltung. Neben Marconi baute Telefunken Sender in der ganzen Welt. Nachdem 1922 in England der Tonrundfunk
Eingeführt worden war, konnte ein Jahr später aus dem Voxhaus in Berlin die erste deutsche Rundfunksendung ausgestrahlt werden. Im Lehrerseminar Backnang war es der Physiklehrer Studienrat Eugen Maier, der in seinem Unterricht die Hertzschen Wellen erklärte. Richard Burgel baute Detektorempfänger und gründete 1924 seine Firma Radio BurgeL Der Hamburger Physiker Manfred Baron von Ardenne konnte schon mit 16 Jahren sein erstes Patent auf dem Radiosektor anmelden. Mit 19 Jahren erfand er die Dreifachröhre, die einen Durchbruch in der Radioempfangstechnik ermöglichte. Als er 1997 mit 90 Jahren starb, hatte er bereits 600 Patente erworben. Das Rundfunkmuseum in Backnang trägt seinen Namen: Manfred-von-Ardenne-Rundfunkmuseum. Radio und Funktechnik traten ihren Siegeszug an.
Als nach dem Zweiten Weltkrieg alles darnieder lag, nahmen einige Telefunken-Ingenieure, die es in alle Himmelsrichtungen verschlagen hatte, wieder Kontakt untereinander auf. Dr. Günter Wuckel, ehemaliger Leiter der Femmeldekabel- und Apparatefabrik Oberspree (FAO), holte die Ingenieure zum Teil aus Memmingen und anderen Städten. Wuckel hatte vom Vorstand der AEG den Auftrag, die AEG-Fernmeldetechnik im Westen neu aufzubauen. Im Jahr 1946 wurde damit in einer leer stehenden Backnanger Lederfabrik in der Gerberstraße begonnen.
Damit die Funktechnik-Experten sich für Backnang entschließen konnten, wurde "gewuckelt und dann gebrühlt", wie Fachleute sagen. Denn Dr. Wuckels Mitstreiter wurde ab 1956 Dr. Gerhard Brühl, der spätere Entwicklungsleiter des Geschäftsbereichs Anlagen, Weitverkehr- und Kabeltechnik von AEG-Telefunken. Am 1. Oktober 1954 wurde das Backnanger Werk AEG-Fernmeldetechnik von Telefunken übernommen. Ab 1967 hieß es AEG-Telefunken.
Mit Beginn des Fernsehens konnte die Richtfunkstrecke Hamburg-Köln mit den in Backnang entwickelten Geräten in Betrieb genommen werden. Dank Alois Ochojski, Mitarbeiter der Techniksammlung, stehen heute solche Geräte betriebsbereit in der Backnanger Sammlung. Heinz Wollenhaupt, zweiter Vorsitzender des Heimat- und Kunstvereins,
und seine Helfer sind bemüht, den AEG-Telefunken-Nachlass zu erhalten.
Mittlerweile sind auch Chelmsford und Backnang partnerschaftlieh verbunden. Und im Jahr 2000 ging die Richtfunktechnik in Backnang auf die Firma Marconi über. Ein Kreis hat sich damit geschlossen. Das wird für die Backnanger ein Anlass sein, am 25. Mai 2003 106 Jahre Marconi und 100 Jahre Telefunken zu feiern.